Fortzetzung

     Nun erstürmt die Rote Armee deutsche Grenzen, wird zum Eroberer, russische Truppen werden zu den Besatzern. Die Deutschen haben aber auch Kräfte, Widerstand zu leisten. Es wird außerdem die modernste Waffe vorbereitet, die nichts ihresgleichen hat. Sobald der Führer befiehlt diese Waffe zu gebrauchen, ist Deutschlands Sieg vorausbestimmt. Wie früher war dieser Artikel mit einem kleinen Beigeschmack von Ironie.

     Sobald wir mit den Erntearbeiten fertig waren, beschloß unser Chef uns loszuwerden: unsere Arbeit deckte seine Ausgaben nicht mehr. Es wurde uns befohlen uns auf den Weg zu machen. Unsere Reisevorbereitungen dauerten nicht lange. Wir hatten gerade noch Zeit, Fladen aus dem gestohlenen Mehl zu backen und damit unsere Rucksäcke zu beladen. Unsere zwei Begleitsoldaten bekamen eine Ergänzung und wir kehrten denselben Weg nach Torn zurück.

    Wir wurden schon nicht ins Fort 17, sondern in ein anderes Lager gebracht.

    Während unserer Abwesenheit wurde das Fort 17 so überfüllt, daß die Deutschen ein neues Lager gründeten, das sie zum großem internationalen Lager hinter der nordwestlichen Stadtgrenze am rechten Wisla- Ufer anbauten. In diesem Lager waren Engländer, Belgier, Polen, Italiener, Jugoslawen, es gab schon auch Amerikaner. Sie alle wohnten in eingeschossigen Steinkasernen, in den voneinander abgetrennten Zonen.

    Es wurde zum Lager ein großes Gelände schnell angegliedert, wo Holzplattenkasernen gebaut wurden. Dieses Gelände, für russische Kriegsgefangene bestimmt, wurde vom Lager der Alliierten durch eine schmale, mit einem Stacheldraht umgezäunte Zone, durch einen Weg mit einem Einfahrtstor abgetrennt. Von diesem Weg öffneten sich die Tore in einige Zonen des russischen Lagers.
    Der Tagesablauf war im Lager immer gleich, vom Brotverteilen bis zur Abfahrt zur Arbeit. Nach der Rückkehr von der Arbeit gingen wir in die gemeine Küche, wo wir nach einem langen Schlangestehen Suppe bekamen. Wir tranken die dünne Suppe im Gehen, während wir in unsere Zonen gebracht wurden. Die von der Arbeit beim Bauern mitgebrachten Fladen waren schnell gegessen worden, meine „Gesundheitskilogramme“ nahm ich schnell ab und kehrte zu meinem gewöhnlichen halbhungrigen Zustand zurück. Das Lager war schlecht eingerichtet, in den Kasernen, wo keine üblichen Pritschen, sondern zweistöckige Holzbetten standen, war es kalt; nicht zahlreiche Öfen, die mit Kohlestaubbriketten geheizt wurden, erwärmten den Raum schlecht.
    Die Hauptaufgabe der Lagerbewohner bestand darin, bei der Arbeitverteilung eine solche Arbeit zu bekommen, wo man sich an etwas gesundstoßen konnte. Morgens nach der Brotverteilung und –essen wurde die ganze arbeitsfähige Lagerbevölkerung durch das Tor auf die an die Alliierten angrenzende Straße mit dem Haupttor am Ende getrieben. Die Menschen drängten und stießen sich. Bevor die Begleisoldaten kamen, mußte man eine solche Position einnehmen, um rechtzeitig nach vorn zu treten, wenn die Arbeit günstig war, und nach hinten zu treten und in der Menge zu verschwinden, wenn man zu einer schweren Arbeit aufgerufen wurde. Wenn die Begleisoldaten kamen, und wir erkannten schon die Begleitsoldaten, die uns zu einer bestimmten Arbeit führten, begann das Gedränge. Die Wachleute mischten sich ein, schlugen die Leute auf die Rücken und Köpfe mit den Knüppeln, aber das half schlecht.

    Im warmen, im Vergleich zu Rußland, Klima Polens wurden die Kartoffeln in langen Mieten an den Feldrändern und die Wege entlang aufbewahrt. Sie wurden mit dem Stroh gedeckt und mit der Erde bestreut und in bestimmtem Abständen gab es Luftlöcher. Bei der Arbeit beim Einrichten solcher Mieten konnte man ein paar Kartoffeln klauen, sie dann unter der Kleidung verstecken und danach kochen oder im Kasernenofen backen. Für solche Arbeiten sowie für die Umladung vom Gemüse in die Waggons oder aus den Waggons in die Wagen oder LKW brauchte man viele Arbeiter. Alle wollten dort arbeiten und wenn die bekannten Begleitsoldaten kamen, so begann ein richtiges Gedränge. Wenn die Begleitsoldaten kamen, die uns zur Arbeit in der Sandgrube, zum Unterstandsgraben, zu den Bauarbeiten oder anderen nachteiligen Arbeiten bringen sollten, so begann auch ein Gedränge, aber in der Richtung vom Tor.

    Hinter der Stacheldrahtumzäunung beobachteten das unsere Alliierten, satt, sauber, warm gekleidet, mit Zigaretten oder Pfeifen im Mund.

   Das Bild war sehenswert, wenn wir uns dabei unsere Kriegsgefangene vorstellen: abgezehrt, in schmutzigen zerlumpten Uniformmänteln, bis an die Ohren gedrückten Schiffchen, mit Kochgeschirr, mit den Buchstaben „SU“ auf den Rücken. Manchmal warf einer der Beobachter eine Büchse Haferbrei hinter der Umzäunung hervor und die Schlägerei wegen dieser Büchse war eine Unterhaltung für die sich langweilenden Engländer.
    Einige Zeit hatte ich Glück: ich arbeitete in einer Brigade auf dem Flugplatz. Wir gruben die Caponiers für die Flügzeuge, Unterstände und Deckungsgräben. Hier wurden wir ständig aufgefüttert: in der Mittagszeit kam ein Wagen, den ein schnurrbärtiger Pole lenkte, wegen seiner Mission bekam er den Spitznamen „Mikojan“. Er brachte eine Kanne Ersatzkaffee und Brot und wir bekamen je eine Tasse versüßten Ersatzkaffee und je ein Stück Brot.

    Das dauerte aber nicht lange. Entweder waren alle Arbeiten schon zu Ende oder sie wurden schon nicht mehr von den Kriegsgefangenen, sondern von den „Zivilisten“ verrichtet (es gab in Torn Zivilarbeiter aus Rußland, meistens Frauen. Wir sahen sie nur aus der Ferne).

    Ich muß auch unsere Beziehungen mit den Alliierten erwähnen. Sie waren immer freundlich gegen uns. Bei Gelegentheit gaben sie uns etwas zum Essen. Das waren aber immer Speisereste. Sie tauschten das Essen gegen die Handwerkserzeugnisse unserer Bastler, Invaliden ein. Die Franzosen und Italiener hatten mehr Mitleid mit uns: wenn wir ihnen bei der Arbeit begegneten, gaben sie uns oft ihre aus dem Lager mitgebrachten belegten Brote. Von vielen Völkern im Lager waren nur die Serben bereit das Letzte mit uns zu teilen.

    Wenn ich mir in den letzten Jahren Berichte über die Geschehnisse in Jugoslawien ansehe und anhöre, erinnere ich mich an die Serben mit großer Dankbarkeit.

    Der Winter kam, es fing an zu frieren, es wurde bei den Erdarbeiten schwer, die gefrorene Oberschicht durchzubrechen. Und es gab mehr Erdarbeiten: die Deutschen bereiteten die Unterstände um die Stadt herum vor.

    Es kam das neue Jahr 1945. Am Morgen des 31. Dezember machte man uns Freude: wir bekamen ein Brot nicht für 12 Menschen wie gewöhnlich, sondern für 6. Wir dachten, es sei ein Neujahrsglückwunsch, aßen das Brot auf und da stellte es sich heraus: das war die Ration für zwei Tage! Ein schönes Neujahr!

    Da kam wieder die Zeit, wenn vom Osten Donnerrollen hallte. Die Front wurde näher. Wir lebten in Unruhe und Erwartung der nächsten Evakuierung. Das Lager hinter dem Stacheldraht wurde leer: man führte die Engländer schon hinaus.

    Wer hätte das geglaubt, daß meine ehemaligen Regimentskameraden, Kavalleristen in dieser Zeit den Angriff auf Torn und Bromberg unternahmen! Ich erfuhr das nach vielen Jahren nach dem Kriegsende, als ich die Karten des Kampfweges des Korps.


                             
Auf dem Weg zum Styx


    Und da kam dieser entscheidende Tag. An einem Morgen in der ersten Dekade des Januar wurden wir nach der Brotverteilung auf den Platz vor der Küche getrieben, mehrmals nachgezählt, dann wurde uns erklärt: wir setzen uns in Marsch. Alle, die nicht gehen können, kranke Beine haben sollen sich getrennt aufstellen. Es ging das Gerücht um, daß die Deutschen keine Kranken im Lager lassen, sie werden vergiftet oder erschossen werden. Aber viele Kriegsgefangene, die wegen der Wunden oder Erkrankungen nicht gehen konnten, gingen auf den angewiesenen Platz. Ihr weiteres Schicksal ist mir unbekannt. Diese Gerüchte schienen mir glaubwürdig zu sein. Die Deutschen verstanden: wenn diese Kranken zu Ihren kommen, werden sie geheilt, danach reihen sie sich ein und werden nach den Erniedrigungen, Beleidigungen, Hungerqualen und Mißhandlungen im Lager zu den tollkühnen Soldaten. Außerdem taten die Unseren unter den gleichen Umständen auch so. Die Kriegsteilnehmer, die in den ersten Kriegsjahren an den Streifzügen teilgenommen hatten, erzählten mir, daß die Kriegsgefangenen, die ins Hinterland nicht abgeschickt werden konnten, erschossen worden waren.

    Ohne zu säumen, in der Eile, wurden wir in Hunderte geteilt (zehn Reihen je zehn Menschen), jedes Hundert wurde von den Begleitsoldaten umgeben, man trieb uns von der Stadt auf einem breiten Weg, der durch ein dünnes Fichtenwäldchen führte. Die Kolonne zog sich etwa auf 2 Kilometer, es gingen wohl zwei bis drei Tausend Menschen. Am Ende der Kolonne gingen die Engländer, auch mit den Begleitsoldaten. Im Unterschied zu uns, die wir nichts außer dem Kochgeschirr und dünnen Rucksäcken mithatten, trugen sie riesige Rucksäcke.

    Unsere Begleitsoldaten wurden auch mit schweren mit Kalbsfell benähten Rucksäcken beladen. Zuerst wollten sie, daß wir diese Rucksäcke tragen, aber daraus wurde nichts, denn nach einigen Dutzenden Schritte mit dieser Last fielen die Kriegsgefangenen um. Bald trieben die Deutschen ein hohes Pferdefuhrwerk auf, aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie es den Polen fortgenommen, legten ihre Sachen darauf und setzten sich manchmal darauf, um sich zu erholen.

    Es hallten die Schießerei und die Bombardierung. Ich wendete mich und sah über unserem verlassenen Lager sowjetische Jagdbomber kreisen und es mit Bomben belegen. Das war doch kein Kriegsobjekt!

    Von den in Wut gebrachten Begleitsoldaten angetrieben, gingen wir den ganzen Tag bis es dämmerte, bisweilen machten wir Halt und setzten uns auf den Weg, in den Schnee, um uns zu erholen. Laut den Wegweisern führte uns der Weg in die Stadt Bromberg. Am Stadtrand wurden wir in eine stillgelegte Werkhalle hineingetrieben. Es war in dieser Werkhalle warm, es gab hier Wasserbehälter.
    Sterbensmüde und hungrig, nach einem Stück Brot am Morgen hatten wir nichts gegessen, fielen wir auf den Holzpflasterfußboden hin.

    In aller Frühe wurden wir geweckt, aus der Werkhalle in die Kälte hinausgetrieben, mit Geschrei und Stößen in Hunderte aufgestellt und mehrmals nachgezählt. Draußen sah ich die Engländer um die Lagerfeuer herum sitzen und Kaffee trinken.

    Hungrig und unausgeschlafen wurden wir weiter getrieben. Auf dem Weg, wo wir gingen, arbeitete eilig deutscher Minendienst.
    Die Deutschen, auch hungrig und müde, ließen ihren Zorn an uns, trieben uns mit den Flüchen und Flinten- und Maschinenpistolenkolben an.

    Ich ging in der Mitte der Kolonne. Manchmal hallten von der Kolonnenspitze Feuerstöße, die Kolonne blieb stehen und ging nach einer Verlangsamung weiter. Etwas abseits lagen die Leichen der erschossenen Kriegsgefangenen. Es stellte sich heraus: wenn auf dem Weg der Kolonne ein Wagen mit Gemüse (Rüben oder Steckrüben) stand, liefen die ausgehungerten Kriegsgefangenen zu diesem Wagen und die Begleitsoldaten jagten sie mit Feuerstößen auseinander. Die Vorderreihen, die Rüben oder Steckrüben erfaßt hatten, schälten sie unterwegs, aßen sie im Gehen, warfen die Schalen auf den Weg und die in den nächsten Reihen Gehenden fingen sie auf und aßen sie.

    Manchmal gingen wir an einer mit der Erde bestreuten Kartoffeln- oder Zuckerrübemiete vorbei. Da begann das Gedränge: die hungrigen Leute stürzten zur Miete und holten die Kartoffeln oder Zuckerrüben aus den Luftlöchern heraus. Die Begleitsoldaten versuchten sie zuerst mit den Kolbenschlägen auseinanderzujagen, danach, wenn sie keine Geduld mehr hatten, mit Feuerstößen. Die Kolonne hinterließ am Straßenrand einige Leichen und Verwundete und zog vorwärts. Bei den liegenden Verwundeten blieb einer der Begleitsoldaten mit seinem Fahrrad. Nach einiger Zeit hallten Feuerstöße: der Begleitsoldat gab ihnen den Todesstoß und holte die Kolonnenspitze nach.

    So gingen wir den ganzen Tag. Manchmal machten wir einen kurzen Halt und fielen gerade auf den Weg um. Gegen Abend machten wir in der Nähe von einem kleinen Dorf Halt, wir wurden in eine große Scheune, teilweise mit Stroh und Heu gefüllt, hineingetrieben. Wir bekamen weder Essen noch Wasser. Dann beschafften wir uns das „Weidefutter“. Im Stroh stießen wir manchmal auf die Ähren: das war das beste Geschenk. Wenn man die Ähre zwischen den Handflächen reibt, kriegt man einige Körner. Wenn man sie noch etwas reibt, fällt ihre Schale weg und man kann die Körner essen. Die zerkauten Körner sind ein nährhafter süßlicher Brei. Auf dem Fußboden der Scheune gibt es eine dicke Staubschicht. Wenn man den Staub mit der Hand schöpft, von einer Hand in die andere umschüttet und dadurch bläst, findet man auch einige Körner. Im Staub kann man auch eine Erbse oder etwas größeres finden: eine Steckrübe oder eine Rübe.
    Die Nacht ist kalt, das Heu gibt keine Wärme, wenn man sich auch darin vergräbt. Gegen Morgen werden wir, unausgeschlafen und hungrig, zum Appell hinausgetrieben: Aufstellung und endloses Nachzählen. In der Scheune prüfen die
Вegleitsoldaten sorgfältig das Heu, indem sie es mit Seitengewehren und Heugabeln durchstechen.

    So vergehen einige Tage. Die ohne Essen und Wasser von Kräften kommenden Menschen bleiben auf dem Weg liegen. Ihr Schicksal ist schon allen bekannt: Nach einiger Zeit hallen Feuerstöße und der Begleitsoldat holt die Kolonnenspitze nach. Dieses fatale Ende läßt die letzten Kräfte sammeln und sich weiter schleppen.
    Bei einem Marsch sah ich die Reste der Gruppe der Engländer. Wo sind ihre großen Rucksäcke, ihre Wohlgenährtheit und wackeres Aussehen? In den schlaff herunterhängenden Uniformmänteln, unrasiert und erschöpft sahen sie sogar mehr abgequält als wir aus. Um sie weiter zu fahren, erwarteten die Deutschen ein Verkehrsmittel.

    Nach einigen Tagen bekam jeder von und ein ganzes Brot. Mein Nachbar Mischa, mit dem wir die ganze Zeit zusammen gingen, und ich konnten uns nicht beherrschen und aßen das ganze Brot in einem Zug auf. Zum ersten Mal nach vielen Tagen fühlten wir uns satt, aber das dauerte nicht lange...

                                           Fortzetzung                                     

                                   Schreiben Sie an mich

 

 

Используются технологии uCoz
2 Rambler's Top100